Bodendenkmale

Die römische Wasserleitung Drove - Soller

(Nach einem Zeitungsbericht aus dem Jahre 1912)

Bei Soller, neun Kilometer südlich von Düren, wurde, wie wir kürzlich berichtet haben, eine römische Wasserleitung aufgedeckt, welche von dem technischen Können und der hohen wirtschaftlichen Kultur der damaligen Zeit beredtes Zeugnis ablegt. In der Köln. Zeitung bringt Prof. Dr. Schoop (Düren) folgende nähere Angaben. Etwa einen halben Kilometer westlich vom Dorfe, dort, wo die Heide beginnt, bemerkt man in einem Abstand von fünf bis sechs Metern kreisrunde Vertiefungen, die am oberen Rande einen Durchmesser von gleichfalls fünf bis sechs Metern haben. Die Vertiefungen ziehen sich in grader Linie fort durch den Wald und enden kurz vor einer Quelle, welche 2,5 Kilometer westlich von Soller in der Nähe des Dorfes Drove liegt, der so genannte Hellije Pötz.

Es war eine alte Überlieferung, Soller habe zur römischen Zeit sein Wasser aus dieser Quelle bezogen, und die Wasserleitung folge dem Zuge jener Vertiefungen. Einzelne oberflächliche Grabungen ergaben keine Spur der Leitung. Nun sucht Soller zurzeit nach einer neuen Quelle für seine Wasserleitung. Bei genauer Untersuchung des Geländes kam man zu der Überzeugung, dass die Leitung 8 bis 10 Meter tief liegen müsse, und begann, am Waldesrande 700 Meter westlich vom Ort in einer Vertiefung zu bohren. In 9 Meter Tiefe stieß man in der Tat auf die Leitung. Sie besteht aus Platten von Drover Sandstein, in lichter Weite von 80 Zentimeter im Geviert und ist umkleidet von einer Schicht weißlichen Tones, einer Schutzdecke gegen das stark entwickelte Grundwasser. Diese Tonschicht füllt einen spitzbogigen Kanal von 1,80 Zentimeter Höhe und 95 Zentimeter Breite. Nun erkennt man auch die Bedeutung der zahlreichen vorher rätselhaften kreisrunden Vertiefungen. Die Anlage wurde in der Weise gemacht, dass man in kurzen Abständen kreisrunde, trichterförmig sich verengende Schächte in die Erde trieb, diese durch einen spitzbogigen Tunnel mit Ton auskleidete, der auch an den offenen Stellen in entsprechender Stärke aufgetragen wurde. Von der erbohrten Stelle an steigt das Gelände auf die Strecke von 1400 Meter noch um 16 Meter, um dann kurz 14 Meter zur Drover Mulde hin zu fallen, in der die Quelle liegt. Nach einem vom königlichen Oberlandmesser Koch aus Düren vorgenommenen Nivellement mit der Sohle war die 2,15 Meter höher als die erbohrte Stelle, so dass ein ganz normales Gefälle vorhanden war.

Die Anlage war äußerst mühevoll und stellenweise schwierig, weil der Kanal an der tiefsten Stelle ca. 25 Meter unter der Erdoberfläche lag, und das Gelände in der westlichen Hälfte Sandboden ist, während die östliche Hälfte Ton vermischt mit Kies zeigt. Kurz vor Soller stieß man nun in zwei Meter Tiefe auf eine zweite ebenfalls aus Drover Sandstein hergestellte römische Wasserleitung, die von Süden kommt und fast rechtwinkelig auf die erstgenannte stößt, ihr Ursprung liegt bei Frangenheim, ein Kilometer südlich von Soller, an einem Punkte, der heute keine Quelle mehr zeigt, aber noch recht sumpfig ist. Diese Leitung hat dieselbe Weite wie die vorgenannte. Beide Leitungen müssen in einem gemeinsamen Wasserbecken zusammengeflossen sein, welches zurzeit noch nicht entdeckt ist. Von dem Sammelbecken führten kleinere Leitungen in den Ort hinein, und deren sind bis jetzt drei aufgedeckt worden. Zwei wurden achtlos zerstört, eine dritte aber, welche kürzlich aufgedeckt wurde, ist noch sichtbar, der Kanal 18 Zentimeter tief und 22 Zentimeter breit, besteht aus Beton von Kieseleinschlag, ist unten und seitlich in eine 7 Zentimeter starke Schicht von Kiesbeton eingebettet und mit einer flachen Ziegelplatte abgedeckt. Solche kleinen Leitungen fanden sich im Kreise Düren schon mehrere, die meisten waren mit Hohlziegeln abgedeckt.

Der Name Soller (älteste Form Sullere urkundlich genannt 989) weist auf urrömischen Ursprung hin; in der nächsten Umgebung fanden sich sonst keine römischen Siedlungen. Soller steht also noch an der Stelle der ältesten Siedlung. Schoop hat nachgewiesen, dass die meisten germanischen Siedlungen im Kreise Düren unabhängig von den römischen angelegt wurden.

 

Der hellige Pötz

Klaus Schnitzer

Quellen und Brunnen aller Art waren den Menschen früher heilig, das heißt, sie dienten als Stätten der Heilung, der Magie und der Gnade. In vielen Kulturen glaubte man, dass das Leben aus dem Wasser hervorgegangen sei, und der Glaube war weit verbreitet, dass jede Quelle unter dem Schutz eines besonderen Wächters oder einer Wassernymphe steht. In der keltischen Sage hieß sie Bride oder Brid (Kommt daher vielleicht auch der Name Britz?). In späteren Zeiten wurden die heidnischen Figuren oft durch Heilige ersetzt. In der katholischen Kirche ist es üblich, dass der Priester Weihwasser, also heiliges Wasser über die Gläubigen versprengt. In vielen Kulturen spricht man von heiligem Wasser (Taufwasser, Ganges, Regentänze).

In Deutschland gibt es hunderte Quellen, die die Menschen in ihren Bann ziehen und die seit Urzeiten verehrt werden. Heute sind auf britischem Boden noch 2000, weitere 600 in Schottland und dann ferner in Irland nicht weniger als 3000 Orte bekannt, in denen man heilige Quellen nachweisen kann. Bei vielen von ihnen wurden christliche Kirchen und Kapellen gebaut. Sehr bekannt ist die Helligkilde (=Heilige Quelle) südöstlich von Hvidbjerg (Dänemark). In unserer Gegend ist der Gröne Pötz berühmt, der den Römern als heilige Quelle galt, und von dem sie ihre Wasserleitung nach Köln bauten. In alten Schriften wurde der „Hellige Putz“ südwestlich von Linnich zwischen Merzbach und dem „grünen Weg“ genannt. Er wird mit dem Willibrordusbrunnen in Ederen in Verbindung gebracht, einer Taufquelle zu Beginn der Christianisierung.

Besonders Sagen suchen das Unbekannte und Geheimnisvolle in den Quellen zu deuten. Da am Drover Hellige Pötz bisher keine Ausgrabungen (Ausnahme römische Wasserleitung) stattgefunden haben, müssen wir uns auf diese Volkssagen stützen, die alle einen wahren Kern haben. Am Hellige Pötz soll nach einer Überlieferung ein heidnischer Tempel gestanden haben, der am Ort der Quelle versunken war. Sein Wasser soll heilig sein. Wer mit unreinen Händen, das heißt schuldbeladen, Wasser aus ihm schöpft, der soll in ihm umkommen. Auch sagte man von ihm, er sei bodenlos. Man wollte einst seine Tiefe messen und band mehrere Stangen aneinander. Man kam aber nicht auf den Grund. Ein alter Mann, der gerade hinzukam, sagte: „Lasset davon ab, denn es soll nicht gut sein, den Hellige Pötz zu messen“.

Diese Heiligkeit geht wahrscheinlich auf die Verehrung der Quelle durch die hier wohnenden Kelten zurück. Sie bauten dort zwar kein Bauwerk, den Kelten dienten meistens Haine als heilige Stätten, aber vielleicht findet man einmal Votivgaben, Münzen oder Figürchen, die man in anderen heiligen Quellen gefunden hat. Dort entdeckte man sogar Waffen, ganze Streitwagen und Goldschmuck. Stammt daher auch die Drover Sage vom Schatz im Hellige Pötz? Dieser soll in seiner unermesslichen Tiefe liegen; aber er kann nur unter tiefstem Schweigen gehoben werden, und einmal versank die schwere Schatzkiste wieder, als man sie schon bis über das Wasser gehoben hatte und einer der Schatzgräber beglückt ausrief: „Jetz hamme et jeschaff“. Und seitdem ist der Schatz für immer versunken.

Man kann also mit einer ziemlichen Wahrscheinlichkeit die Vermutung aussprechen, dass der Hellige Pötz die Stätte oder der Gegenstand einer religiösen Verehrung gewesen ist. Schon Tacitus berichtete, dass einige Keltenstämme glaubten, dass man an einer solchen Stelle dem Himmel am nächsten sei, und dass dort die Gebete der Menschen von den Göttern am gnädigsten erhört wurden. Die auffallende Tatsache, dass außer vom Hellige Pötz keine weiteren Sagen mit einem gleichen Hinweis auf kultische Verehrung in näherer oder weiterer Umgebung existieren, legt die Mutmaßung nahe, dass die Drover Quelle den Mittelpunkt für ein größeres Gebiet bildete.

Durch Ausgrabungen wissen wir aber um die Bedeutung des Helligen Pötz in römischer Zeit. Die reichlich spendende Quelle war der Ausgangspunkt einer 2,5 km langen, aus großen Steinplatten hergestellten Wasserleitung, die nach Soller führte. Der ganze Verlauf der Kanalleitung ist unterirdisch. Bei der höchsten Geländeerhebung am Drover Berg liegt sie nicht weniger als 25 Meter unter der Erdoberfläche. Eine Reihe kreisrunde, trichterförmige Gruben, die etwa 10 Meter auseinanderliegen, verraten den schnurgeraden Verlauf der Leitung. Eine kleinere römische Wasserleitung aus dem Hellige Pötz führt am Berghang vorbei in nördlicher Richtung. Freigelegt wurde sie am Hohlweg (Verlängerung Fliederbusch), in der Wewordenstraße (Grundstück Alois Keutgen), im anschließenden Wald (im Jahre 1925 durch Klaus und Peter Schnitzler) und in der Wehrstraße. Sie ging wahrscheinlich zur Vollsteiner Mühle. In Anbetracht der Bedeutung der Drover Quelle in römischer Zeit dürfte hier auch ihre Namensgebung zu suchen sein. Weihungen an Quellen sind Ausdrucksformen heidnischen Glaubens, und in den Sagen vom Hellige Pötz kann man den Niederschlag religiöser Anschauungen erkennen, die im Volksmund aus alten Tagen bis zur Gegenwart überliefert worden sind.

Diesen Volksglauben hat sich wahrscheinlich auch Willibrord zu Nutze gemacht, der in unserer Gegend nachweislich Ende des 7. Jahrhundert als Missionar wirkte. Sein Stützpunkt für seine Missionstätigkeit war Berg bei Floisdorf. Von dort durchwanderte er die nähere und weitere Umgebung, um christliches Leben bei den Bewohnern zu begründen oder neu zu entfalten So ist die Vermutung nicht abwegig, dass der Hellige Pötz auf eine Taufquelle zu Beginn der Christianisierung hindeutet. Liegt sie doch günstig an einem prähistorischen Weg, der von Berg bei Nideggen kommend (wo Willibrord wirkte) über Drove nach Kreuzau (wo Willibrord eine Kirche gründete) führte. Drove lag also an dieser Straße, die Willibrord sicherlich benutzt hatte. So wissen wir aus alten Schriften auch von einer heiligen Quelle, die Willibrord besuchte, aus der er nur schweigend schöpfen durfte.

Zum Schluss fehlen noch einige Bemerkungen zu dem Namen Hellige Pötz. Pütz stammt aus dem Lateinischen puteus = Wasserstelle. Aber auch im Germanischen bedeutet but, ahd buzza, Pfütze oder Ort am Wasser. Der ehemalige Pfarrer Esser aus Kreuzau bezieht hellig auf hel = Abhang oder Berghang. Aber warum sollte gerade die Drover Quelle nicht wie die anderen unzähligen den Namen auf seine Heiligkeit zurückführen, Heiligkeit nicht im christlichen Sinne. Indogermanisch hel benennt einen Ort der Verehrung, Ort, der einer Gottheit geweiht ist, der sich dem rationalen Zugriff entzieht. Bei den Germanen war Hel die Unterwelt (Deutet darauf die Sage mit den Stangen hin?). Die Wurzel vieler Religionen liegt darin, das Heilige durch kultische und rituelle Vorgehensweisen abzusondern. Das Heilige war auch immer das Heilsame. Der Hellige Pötz war also eine heilbringende Quelle, wie es auch heute viele gesundheitsbringende Thermal- und Mineralquellen gibt.