Zonenrandgebiet
Militärgebiet höchsten Ranges
Unsere Heimat als „Militärgebiet höchsten Ranges“
nach dem 2. Weltkrieg
Seit frühester Kinderzeit begleitet mich (nun 63 Jahre alt) das Militär in meinem Heimatdorf Thum, und auch in den Nachbardörfern auf die verschiedenste Art und Weise. Zum ersten Mal kam ich als 10-Jähriger damit in Berührung. Damals hörte ich, wie unsere „Alten“ davon sprachen, dass in der Nähe von Thum eine Raketenabschussbasis gebaut werden sollte. Weitere Objekte waren uns bekannt: die Drover Heide als Truppenübungsgelände, das Munitionsdepot in Stockheim, die Panzerkaserne in Düren sowie eine Radarstation bei Nideggen.
Später erst, als ich älter wurde, wurde mir bewusst wie stark unsere Heimat militärisch aufgerüstet war, damals zur Zeit des Kalten Krieges, zur Zeit der Kuba-Krise und der Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy.
Aber was gab es denn alles für Militärische Einrichtungen?
Panzerkaserne in Düren
Da ist zunächst die Panzerkaserne in Düren an der Stockheimer Landstrasse zu nennen. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und der Aufteilung Deutschlands durch die Siegermächte gehörte unsere Heimat zur britischen Zone, und belgische Soldaten wurden bereits ab 1945 als Hilfs- kräfte der britischen Besatzer eingesetzt. In Düren war eine der größten belgischen Garnisonen in Deutschland untergebracht. Die belgischen Soldaten wurden für uns zur Normalität, wenn wir einen uniformierten Soldaten sahen, dann war das für uns ein Belgier. Viele Jahre später lernte ich diese Soldaten als Fußballkameraden, ja auch als Trainer kennen. Mädchen aus unserem Dorf verliebten sich in belgische Soldaten und heirateten sie. Von dieser Kaserne aus führte eine ca. 4 KM lange Panzerstrasse bis zum nördlichen Rand der Drover Heide. Dort ist auch heute noch eine Kettenreinigunganlage zu bewundern. Durch die Aufgabe die Aufgabe der militärischen Nutzung im Jahr 1997 ergaben sich neue Nutzungsaspekte. So findet man heute dort u. a. ein interkommunales Gewerbegebiet der Stadt Düren und der Gemeinde Kreuzau. Entlang der Panzerstrasse erstreckt sich ein Schießplatz der belgischen Armee der heute in Teilen von einem Dürener Schützenverein genutzt wird.
Das Munitionsdepot in Stockheim
Weiterhin gab es ein Munitionsdepot der Belgischen Streitkräfte im Waldgebiet zwischen Stockheim und Drove (jetzt teilweise bebaut; das Neubaugebiet „Marieneiche“). Neben den Unterkünften und Versorgungsgebäuden waren im Wald ca. 140 Eternit-Hütten gebaut, in denen scharfe Munition gelagert wurde. Das Muni-Depot wurde 1953 gegründet. Das Gebiet war komplett eingezäunt, und es gab einen hohen Wachturm am östlichen Rand. Für die Anwohner also nicht zu betreten, uralte Wegeverbindungen (wie Alte Gasse von Kreuzau nach Stockheim) damit abgekappt. Die Firma Strabag kaufte 2003 das Gelände von der Bundesrepublik Deutschland. 2009 rückten die ersten Bagger an, um die Gebäude und die alten Eternitbauten abzureissen. Damit war die Ära des Munitionsdepots endgültig zu Ende.
Truppenübungsplatz Drover Heide
An dieses Gebiet schloss sich das Truppenübungsgelände „Drover Heide“ an, das bis vor die Ortschaft Thum reichte. Nach einem Großbrand der den Waldbestand zwischen Drove-Soller und Thum vernichtete, hat das Kaiserreich wegen der Nähe zu Frankreich das Gelände als Truppenübungsplatz ausgewiesen, und Düren zu einer Garnisationsstadt erklärt. Es bestanden sogar Pläne, den Truppen- übungsplatz Drover Heide mit dem belgischen Platz Elsenborn quer durch die Eifel zu verbinden. Diese wurden jedoch aus finanziellen Gründen fallen gelassen.
Seit 1951 wurde die Drover Heide von den belgischen Streitkräften als Truppenübungsgelände genuzt. Als Kinder bekamen wir immer wieder Kontakt mit den belgischen Soldaten, von denen wir „Panzerplatten“ geschenkt bekamen. Das waren sehr harte und dicke Kekse, wie ich sie später in den EPa´s der Bunderwehr wiederfand. Oftmals fuhren lange Panzerkarawanen durch die Dörfer in Thum und Drove. Wir Kinder hatte etwas zu bestaunen. Die Erwachsenen waren vielleicht weniger erfreut, erinnerte sie das doch an die entbehrungsreiche Zeit der Kriegsjahre. Oftmals gingen Fensterscheiben zu Bruch, oder es gab Flurschäden bei den Landwirten zu beklagen, für die dann jedoch Entschädigung geleistet wurde. Später, in Drove wohnend, erfuhr ich von einem hohen Besuch auf der Drover Heide. Der Belgischen König Baudouin und Königin Fabiola besuchten die belgischen Streitkräfte. Das war vermutlich in den Jahren 1960 – 1962. Meine Frau erzählte mir das damals die Drover Schulkinder, wohl geordnet in Zweierreihen, zur Drover Heide gingen, um die Panzer- und Truppenparade, und natürlich das Königspaar, welches auf einer großen Ehrentribüne saß, zu sehen. Es wurde auch berichtet, das auf dem Gelände mir scharfer Munition geschossen wurde, deshalb gab es ein absolutes Betretungsverbot . Oftmals kam es aber zu „Grenzverletzungen“, wie etwa beim Brombeerflücken oder beim Spaziergang, weil die Grenzen fliessend waren und nicht immer direkt im dichten Gebüsch zu erkennen war. Wurde man dabei erwischt, gab es saftige Geldstrafen zu bezahlen. Das Gelände wurde 2004 freigegeben und ist seitdem für die Öffentlichkeit bedingt begehbar. Heute erfreut sich die Drover Heide als beliebtes Naherholungsgebiet. Der Bekanntsheitsgrad wurde durch eine WDR-Lokalzeit-Wanderung, die am 28. Aug. 2010 stattfand, in der ganzen Region von Aachen bis Köln, von Krefeld bis Prüm gesteigert. Die Resonanz war damals sehr groß, trotz starker Regenfälle, die sich um Verlauf der Veranstaltung über die Wanderer ergoss. Drover Bürger und Vereine zeigten sich als gute Veranstalter, und bewiesen eine funktionierende Gemeinschaft und reges Engagement. In den umliegenden Dörfern war man froh das Gelände wieder als Wandermöglicht nutzen zu können.
Die Raketenabschussbasis in Thum
Im Jahre 1961 wurde nicht nur die Berliner Mauer gebaut, auch in Thum waren die Menschen in großer Sorge wegen eines geheimnisvollen Bauvorhabens am östlichen Ortsrand. Niemand durfte etwas wissen, und alle wussten es doch: Es wird eine Raketenabschussbasis gebaut! Die Zeit des Wettrüstens zwischen Ost und West hatte Hochkonjunktur. Wir Kinder konnten die Gefahr nicht erkennen; wohl aber unsere Eltern und Großeltern, die den unseligen Krieg überlebt hatten. Sie hatten den Krieg und Zeiten der Gefangenschaft gerade mal 15 Jahre überstanden, waren wieder in Arbeit und Brot, hatten Häuser gebaut und Familien gegründet, dann diese Nachricht. Die Alten hatten Angst das, bei einem evtl. neu aufkommenden Krieg, unsere Dörfer zur Zielscheibe des Feindes werden konnte. Diese Angst war wohl auch berechtigt, denn die Welt stand 1962 mit der Kuba-Krise tatsächlich am Rand des 3. Weltkrieges, ja eines Atomkrieges. Die beiden Staatschefs Cruschtschow und Kennedy haben aber kurz vor der Eskalation halt geboten.
Was geschah nun in Thum? Die Basis wurde 1962 fertiggestellt. Belgische Soldaten verrichteten den Dienst in dem Gelände. Es wurden Raketen des Typs Nike stationiert, die „nur“ konventionelle Sprengköpfe tragen konnte. Später wurde weiter aufgerüstet mit einer modernen Rakete, der Nike Herkules, die auch atomare Sprengköpfe transportieren konnte. In Thum grassierte die Meinung, das die Raketen im Ernstfall auf eine Stadt in Russland gerichtet seien. Viel später erst erfuhr ich, das die Raketen nur eine „kleine Reichweite“ hatten, und zur Luftabwehr eingesetzt werden sollten, bei evtl. Angriffen auf Bonn oder Köln. Amerikanische Soldaten zogen ein. Das war wohl der letzte Beweis für das Vorhandensein von Atomwaffen. Ein Verwaltungs- und Unterkunftsgebäude stand vor dem Camp.. Die Soldaten wohnten in den nahegelegenen Dörfern, Deutsche fanden eine Arbeitsstelle bei den Amerikanern – die damals recht gut betucht waren, war der US-Dollar etwas mehr als 4,00 DM wert. Gleichartige Basen standen im Billiger Wald bei Euskirchen und in Blankenheim-Reetz. Die amerikanischen Soldaten wurden für uns Alltag. Sie wohnten in Thum, Drove und weiteren Ortschaften zur Miete und brachten vielen unverhofftes Geld. Es entstanden Ehen zwischen amerikanischen Soldaten und „unseren“ deutschen Mädels, die später mit in die USA zogen. Zivilisten aus unseren Dörfern fanden bei den Amerikanern Arbeit.
Wir Thumer Jungs interessierten uns natürlich für die Raketen die dort im Wald vor unserer Haustür standen und wollten sie auch einmal sehen. Also schlich ich mich als 12-Jähriger an den Zaun der Abschussbasis um vielleicht einmal eine Rakete live zu sehen. Ich bekam nichts zu sehen, nur zwei amerikanische GI´s die plötzlich neben mir standen. Ihre dunkle Hautfarbe verriet mir, dass sie schnelle Läufer sein mussten, wie die Leichtathleten die ich 1960 bei der Olympiade in Rom gesehen hatte. Weglaufen sinnlos. Sie brachten mich zu ihrem Oberst, der mich dann nach Namen, Wohnort und Zweck meines „Besuches“ befragte – mir schlotterten ordentlich die Knie-. Aber meine Zeit als amerikanischer Gefangener endete nach ca. 30 Minuten mit der Ermahnung, mich dort nicht mehr anzuschleichen.
Radarstation auf der Hürth bei Nideggen
Zur Abrundung der militärischen Anlagen stand auf der Hürth im Dreieck zwischen Berg, Nideggen und Thum eine Radarstation, auf der belgische Soldaten Dienst versahen. Von dort aus hat man bei klarem Wetter eine weite Sicht über die Zülpicher Börde hin bis Kölner Dom.
Heute können wir wieder wandern, im Stockheimer Wald, und auf der Drover Heide, viele Zäune sind weggefallen und Verbote aufgehoben. Dennoch gibt es noch Sperrgebiete auf der seltene Tiere und Pflanzen vor den Menschen zu schützen sind. Aber das nimmt der naturliebende Wanderer gerne hin. Lediglich die alte Raketenabschussbasis ist noch eingezäunt, dort stehen noch alte Wachtürme und Gebäude, die bei Öffnung evtl. zur Gefahr werden könnten. Dennoch wäre es schön, wenn nach mehr als 50 Jahren auch diese Zäune einmal fielen, oder das Gelände anderweitig genutzt werden könnte, wie z. B. die Regierungsbunker in Ahrweiler und Urft.
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Fundstücke - Postkarte
Posted in Geschichte on Mär 30, 2018
"Gruß aus Drove" - Postkarte aus den 1950er Jahren